14600 Tage vom Wunsch bis zum Start
Wir schreiben das Jahr 2022. Ich werde diesen Juni 52 und habe in diesem guten halben Jahrhundert nicht nur ein paar Freunde (real und im übertragenen Sinne) , sondern auch einige Träume begraben. Nicht, dass ich mich beschweren wollte. Midlife-Melancholie, sicher. Aber grundlegend gehts mir gut. Gut genug, dass ich Zeit und (nicht allzu viel) Geld für Hobbys habe. Im Winter beschäftigt mich Modellbahn – das hat mit 6 Jahren angefangen und nie mehr wirklich aufgehört. Aber über Sommer brauche ich etwas anderes. Pfriemeln muss sein, aber Luft um die Nase ist nicht falsch.
Ich liebe das Meer. Nord mehr als Süd.
Lustigerweise bin ich alles andere als seefest, das habe ich mal bei einem 6-Stunden-Trip über die stürmische Ostsee in Erfahrung gebracht. Nein, keine Fische gefüttert. Aber wäre der Hafen von Sassnitz nur 5 Minuten später aufgetaucht, hätte ich für nichts mehr garantieren können.
Noch mehr als das Meer mag ich Schiffe.
Nicht unbedingt die Kreuzfahrtriesen oder die gewaltigen Containerfrachter. Beeindruckend, unbesehen. Viel interessanter sind die Arbeiter, die Ordnungshüter und Retter: Schlepper, Küstenwache und – Seenotretter.
Schon als Kind sah ich die Berichte über die Leute der DGzRS im Fernsehen, mit ihren leicht merkwürdig aussehenden Schiffen, mit dem hohen Turm und dem offenen Steuerstand. Was für Menschen! Fahren raus, wenn andere reinkommen. Die können das, die machen das. Und was für Schiffe! Und die gab es auch noch als Modell! Auch wenn ich es mir nicht im geringsten leisten konnte von meinem überschaubaren Taschengeld der frühen 1980er Jahre, die Bausätze von Graupner und Robbe, den heute längst untergegangenen, einstigen Giganten des RC-Funktionsmodellbaus. Schon eine simple 2-Kanal-Fernsteuerung war damals ein teurer Spaß, denn solcherlei Gerät musste eine FTZ-Nummer haben und die fiel offensichtlich nur nach kultischem Verbrennen erklecklicher Geldsummen vom Fernmeldeolymp. Nicht so wie heute, wo jeder fernöstliche Lötkolbenschwinger preiswerte Elektronik mit Funkfunktionen einfach mal so auf den Markt feuern kann.
OK, jetzt nicht mehr, Chipkrise.
Ich kriegte damals aber auch die Krise beim Abgleich von Traum und Möglichkeiten eines 12jährigen DGzRS- und Modellbau-Fans. Denn die Hersteller hatten einen ganzen Wald von Hürden aufgebaut. Dabei war gar nicht mal das Problem, dass es sich um Bausätze handelte – das war ja eher der Kick an der Sache. Aber die mercedesmäßige Aufpreisspirale, die sich da gut geölt drehte, legte diese Hürden nochmal ein Stück höher. Der Bausatz selbst war ja im Grunde nur der Rohbau, der Beschlagteilesatz durfte nochmal hurtig genausoviel oder mehr als das Grundmodell kosten, die Motoren und Regler, Akkus, Fernsteuerung… Am Ende stand ein Betrag, der ganz klar die jugendliche Spreu vom gutsituierten erwachsenen Modellbauweizen trennte. Und das im Grunde bis heute tut.
Nur, dass ich jetzt der erwachsene, wenn auch nicht unbedingt übermäßig gutsituierte Modellbauer bin. Heute kann ich es mir eigentlich immer noch nicht sorglos, aber doch eher als damals leisten.
Was mir heute entgegenkommt, ist die Tatsache, dass es jetzt ziemlich vollständig ausgestattete Bausätze gibt, die für einen immer noch recht ansehnlichen Preis immerhin nahezu alles, was man zum Bau eines schönen Schiffes braucht, als Beinahe-Gesamtpaket bieten.
Und daher habe ich mir heute, an einem schönen vorösterlichen Aprilmittwoch, den 40 Jahre alten Traum erfüllt: Ich baue einen Seenotkreuzer! Genauer gesagt, die “BERLIN”, zweite Ausführung, die im Original die DGzRS-Station Laboe besetzt. Das Modell kommt aus China von Kymodel, wird hier unter dem Label “Peba” vertrieben (warum auch immer…) und ist im Maßstab 1:32 stattliche 87 cm lang. Groß genug, um einge Funktionen zu realisieren, aber klein genug, um ohne größere Klimmzüge transportabel zu sein.
Ich bin happy, gespannt, nervös, ein bißchen Schiss habe ich auch vor der Herausforderung: Kriege ich das hin, kommt am Ende was Vorzeigbares dabei raus? Oder wird das eine “Der Weg war das Ziel, über das Ergebnis schweigt des Dichters Höflichkeit”-Geschichte…?
Von den Höhen und Tiefen dieses Vorhabens handelt dieser Blog – Nachahmern zu Ansporn oder Warnung, das kann ich jetzt noch nicht sagen. Wir werden sehen, wohin die Reise geht.
Ach ja: Alle Nennungen von Marken, Herstellern und Händlern erfolgen aus rein informativer Natur. Ich bezahle alles selbst. Sollte sich daran etwas ändern (was eigentlich nicht geplant ist), werde ich das natürlich entsprechend bekanntgeben.