Weight Watching
Auf irgendeinem Privatsender gabs mal eine Serie über Modellbauer und ihre Projekte, da hat ein Kollege ein riesiges Flugzeug gebaut, perfekt bis in die letzte Schraube, fantastische handwerkliche Ausführung. Aber erst als das Ding fertig dastand hat er es mal auf die Waage gestellt und bemerkt: Zu schwer. Wobei das kein flugtechnisches Problem war, der wunderschöne Vogel hatte Power im Überfluss, war aber über das maximal zulässige Gewicht für ferngesteuerte Flugzeuge geraten. Guter Rat war dann erstmal teuer, aber ich glaube, die Sache ist mit erheblichen Nacharbeiten dann doch gut ausgegangen.
Wer saß damals vor dem Ferseher und hat den Wiseguy gegeben? Ich. “Wie kann man sowas bauen und nicht das Gewicht im Auge behalten? Das muß man doch sehen!” solche oder sinngemäße Äußerungen blubberten aus mir dereinst heraus und die mit mir gemeinsam fernsehenden Menschen nickten zustimmend – teils um sich mit dieser Ansicht zu solidarisieren, teils um mich davon abzuhalten, weiter zu schwadronieren.
Sie alle meinten es gut.
Und jetzt schraube ich seit über einem Jahr an diesem Kreuzer und was habe ich natürlich komplett aus den Augen verloren: Das Gewicht des Schiffes.
Notabene: Die Gewichtsverteilung habe ich berücksichtigt, nicht umsonst habe ich deswegen den Antrieb umgebaut. Aber ansonsten habe ich zum Beispiel bei dem Technik-Einbausatz eher Wert auf solide Ausführung gelegt, auch der Lautsprecher wurde nach Klang ausgesucht und bei Akku war das Gewicht, nunja: bekannt und als unkritisch eingeschätzt, weil ja noch Ballast im Heck gefehlt hat.
Eines der Grundprobleme des Bausatzes ist aber ironischerweise seine Stabilität. Der Rumpf ist äußerst solide, aber eben auch schwer. Hätte man ihn eine Lage dünner laminiert, hätte das eventuell auch noch ausgereicht. Man muss aber auch bedenken, dass die Grundidee des Bausatzes “fahren und Klappe fallenlassen” ist. Dass so ein Seenotkreuzer eine Menge Sonderfunktionen bekommen könnte, hat man im fernen China offensichtlich eher nicht in Betracht gezogen.
Der Gewichtsproblematik jäh wieder gewahr geworden, habe ich also den Rumpf in die Badewanne gepackt und so lange aufgelastet, bis er einigermaßen so im Wasser lag wie gewünscht. Dazu muss man anmerken, dass das Schiff auf jeden Fall etwas tiefer im Wasser liegt als das Original. Das lässt sich kaum verhindern, aber so lange es sich im zarten Rahmen hält, alles knorke.
Ergebnis meiner Ballastprobe: Rechnet man alle noch zu verbauenden Gerätschaften rein, ist der Kahn locker 600g zu schwer. Würde man ihn ein gutes Kilo abspecken, läge er auf Wasserlinie wie das Original, aber das ist wohl utopisch.
Abnehmeziel also mindestens 600 Gramm, je mehr je besser. Wo kann man am meisten einsparen? Bei den Motoren? Brushless-Motoren wären bei gleicher Leistung deutlich leichter, aber dann müsste man aufgrund der höheren Stromaufnahme wieder zu einem LiPo-Akku greifen, was mein schönes Konzept mit dem Akkuladen im eingebauten Zustand mal eben ad absurdum geführt hätte. (Inzwischen habe ich herausgefunden, dass es auch LiFePo4-Akkus mit höherer C-Zahl gibt, die aber urst teuer sind).
Andererseits würden Brushlessmotoren+LiPo schon das halbe Gewichtsproblem lösen. Es ist zum Mäusemelken.
Aber weil einfach einfach einfach ist (stupider Werbespruch…) gehe ich natürlich doch lieber den harten Weg. 600g sind 600g, ohne Frage. Aber eben auch 10 mal 60g. Oder 100 mal 6g… Will sagen: Kleinvieh macht ja auch Mist und viele kleine Abspeckerlis ergeben einen großen Gewichtsverlust.
Also habe ich die Fahndung nach den Speckseiten des Projektes aufgenommen. Ausgerechnet mein schöner und gerade erst fertiggestellter Technikcontainer haute überproportional rein. Da kann man ansetzen.
Also habe ich das Ding nochmal neu konstruiert, diesmal nach dem Motto “so stabil wie es muss, so leicht wie es geht”. Um das Ganze auf die Spitze zu treiben, habe ich die Teile aus zähem PETG gedruckt, das auch bei geringerer Wandstärke eher zum Biegen als zum Brechen neigt. Außerdem habe ich den schweren Lautsprecher komplett herauseliminiert, dazu später mehr.
Das sieht jetzt hie und da ein wenig verbogen aus (die Befestigung der Regler mit Kabelbindern ist stabil, aber die Halter verbiegen sich ein bißchen) aber das ist ein rein ästhetisches Problem. Der ganze Container ist stabil genug und auch ein bißchen aufgeräumter als vorher. Statt aufwändiger Verbindungstechnik mit vier Verbindern in einem 3D-Teil und mit Platine auf der anderen Seite ist jetzt nur noch ein 20poliger Flachkabel-Verbinder eingebaut. Die Stromkabel und die Verteilung sind nicht mehr überdimensioniert, alle Stecker in leichte, aber ausreichend stabile Fassungen geklebt.
Erfolg: Das ganze Ding wiegt tatsächlich nur noch weniger als die Hälfte! Über 200g rausgeholt, na also (den Lautsprecher habe ich schon rausgerechnet).
Das schöne “Hauptschalter”-Schildchen stammt aus einer über 50 Jahre alten und vor ein paar Wochen abgewrackten Zusammentragmaschine, mit dem Drehregler wird die Lautstärke des Beiermoduls eingestellt.
Das ist jetzt aber hoffentlich die letzte Version…