Alles geregelt?
Bei der ganzen Antriebsproblematik und den endlosen Probeläufen dazu hat sich herausgestellt, dass die Idee, beide Motoren an einen Regler zu hängen zwar vom theoretischen, elektrischen Ansatz vollkommen in Ordnung geht, die rauhe Wirklichkeit aber mal wieder in ganz andere Richtung abbiegt.
Denn bei allen Testläufen zeigte sich stets ein sichtbarer Unterschied im Anlaufverhalten der Motoren. Selbst wenn es nur eine sehr geringe Latenz ist, bis der zweite Motor auch anspringt; auch wenn der Drehzahlunterschied marginal ist – das alles wird sich auf das Fahrverhalten des Schiffes auswirken. Und wenn man es schon ohne Messung erkennen kann, ist es nicht unerheblich. Wenn der Kahn aber schon vom Antrieb aus einen Kreis dreht, muss man mit den Rudern gegensteuern und das bedeutet wieder unterschiedliche Ruderwege, verschiedene Drehkreise je nach Richtung. Nee, lass mal.
Man benötigt also zwei Regler. Und diese müssen die Möglichkeit bieten, das Ansprechverhalten im gewissen Rahmen einzustellen, um die Unterschiede auszugleichen. Als zusätzlicher Vorteil kommt dazu, dass das Schiff bei Ausfall eines Reglers noch “auf einer Schraube” nach Hause gefahren werden kann.
Ich meine: Das ist ein Seenotkreuzer. Der bleibt nicht liegen. Nicht wegen eines doofen Reglers. Wie beim Vorbild ist Redundanz hier kein Fehler, sondern ein wichtiges Prinzip.
Bei der Suche nach passenden Reglern bin ich dann auf per Bluetooth programmierbare Geräte gestoßen, die auch noch preislich im grünen Bereich waren. Dass sie für 11,1 V Spannung ausgelegt sind, ich aber maximal 12,8 V draufgebe, sollte unproblematisch sein (wagemutige Tests mit über 13V am Labornetzteil haben das auch bestätigt). Amperemäßig sollten wir uns auch weit im grünen Bereich bewegen: Die Teile halten von der Stromstärke her dauerhaft 70 Ampere aus, was eine fast 12-fach höhere Stromstärke ist, als tatsächlich benötigt wird.
Nachdem ich zwei der Geräte aus dem großen Fluss gefischt habe, ging es dann gleich los mit den üblichen Schwierigkeiten.
Erster Punkt: Die Anleitung ist wahlweise chinesisch oder aus dem chinesischen vermutlich übers bairische in Englisch übersetzt. Also entweder überhaupt nicht lesbar – oder lesbar, aber schwer zu verstehen. Was ich verstanden habe: Erstmal muss man die Dinger manuell kalibrieren, dann per Bluetooth mit einer App koppeln und dann kann man sie mit genau dieser feineinstellen. Problematisch ist dabei schon mal die Tatsache, dass man bei falscher Kalibrierung keine Möglichkeit hat, das Ding ohne App auf Werkswerte zurückzusetzen. Man hat also genau einen Versuch.
Dann die Koppelung mit der App. Jene kann man bei GooglePlay herunterladen, aber dann weigert sie sich stur, auch nur einen der beiden Regler zu erkennen. Das Telefon wiederum erkennt die Regler jederzeit als Bluetooth-Geräte, verweist aber auf die Notwendigkeit einer App zum Zugriff und lässt einen dann einfach im Regen stehen.
Nach einem Abend Herumprobieren ohne Fortschritte in der Verbindung von Reglern und Telefon und durchfiltern etlicher Forenbeiträge im Internet (von denen gefühlt mal wieder 75% den Kategorien “Besserwisser”, “Hohn und Spott” oder “nicht hilfreich” angehören) bin ich so weit informiert, dass man die App wohl als .apk direkt beim Hersteller downloaden kann. Und obwohl sich das daraus installierte Programm mit der gleichen Versionsnummer meldet, findet es wie durch ein Wunder nacheinander und immer noch mit mehreren Anläufen beide Regler.
Große Erleichterung verschafft mir die Tatsache, dass sich beide Regler tatsächlich parallel mit der App ansprechen lassen. Auch kann man das Bluetooth-Dongle (das gleichzeitig der Ein-/Ausschalter ist) auch weglassen, dann schalten sich die Regler ein, wenn sie Strom bekommen – so ist es geplant.
Der Backbord-Regler ist schnell programmiert und die Backbord-Maschine läuft sehr ordentlich.
Ich wünschte, ich könnte das auch vom Steuerbord-Antrieb behaupten. Denn trotz mehrmaliger Kalibrierung lässt er den Motor nur rückwärts drehen. Vorwärts erkennt er das Signal, zeigt es auch an, verabschiedet sich aber nach ein paar Sekunden mit einer “Overcurrent”-Fehlermeldung.
“Overcurrent”??? Echt jetzt??? Das Ding soll 70 A aushalten und laut Labornetzteil zieht der Motor, wenn er denn läuft, auf dem Trockenen und ohne Schraube keine 2 A. Aber er läuft ja nicht, das Netzteil zeigt 0,4 A an.
Klassischer Fall von “dead on arrival” – der Regler ist definitiv nicht in Ordnung.
Ach ja, bevor Fragen kommen: Nein, ich habe ihn nicht mit 13 V gegrillt (was auch offensichtlich gar nicht geht), weil ich natürlich erstmal nur die vorgeschriebenen 11,1 V drangelegt habe. Den funktionstüchtigen, anderen Regler habe ich bis 13,5 V laufen lassen, keine Probleme. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass die Elektronik vemutlich mindestens auf 16 V ausgelegt sein dürfte, allein schon um die allfällige Streuung von Bauteilen auszugleichen.
Also schön zurück in die Schachtel, Rücksendeetikett gedruckt, ab in die Packstation. Ich bestelle gleich einen neuen Regler, der zwei Tage später eintreffen soll. Und wieder zwei Tage für die Füße…? Ach was, ich habe genug andere Baustellen, dann wird eben etwas anderes vorgezogen.
Nachtrag 30.05.: Der Regler ist am Samstag eingetroffen, hat von Anfang an keine Probleme gemacht, sich brav per Bluetooth mit der App verbunden und regelt seitdem was das Zeug hält. Durch Anpassung der Regelkurven habe ich es tatsächlich geschafft, dass beide Motoren jetzt zumindest vom Hinschauen her gleich laufen. Zum Überprüfen bräuchte man ein Laser-Drehzahlmessgerät, das ist mir aber nur für den Zweck etwas zu teuer. Vielleicht kaufe ich es, wenn ich dann an der Abstimmung endgültig verzweifle…